Der Mann, der stets zwei Schritte hinter der Chefin ging: So wurde Prince Philipp sein Leben lang beschrieben.

Es muss nicht einsam an der Spitze sein

Job Description: Ständiger Begleiter der CEO (mit zwei Schritten Abstand), selbstständige Repräsentation des Unternehmens, Beratung der CEO, Supervision der CEO-Residenz.

Der Mann, der stets zwei Schritte hinter der Chefin ging: So wurde Prince Philipp in vielen Nachrufen beschrieben. Der Titel „King“ blieb ihm verwehrt, obwohl die Frau von King George VI, dem Vater der jetzigen Queen, gekrönt und Queen genannt wurde (für das Protokoll: Queen consort). Offenbar ist in patriarchalischen Gesellschaften selbstverständlich, dass in einem Haushalt mit einem King und einer Queen ersterer das eindeutig das Sagen hat.

Interessant: Ein Jahrhundert, nachdem in Europa Monarchien entweder abgeschafft oder durch entsprechende Verfassungen entmachtet wurden, sind Hierarchien mit Monarchen-gleichen Oberhäuptern immer noch Role Model für politische und unternehmerische Strukturen. Den Spitzenjob einem Paar überlassen, ob verheiratet oder eine Zweckgemeinschaft, ist praktisch undenkbar.

Als Hillary Clinton als „First Lady“ für den US-Präsidenten eine Gesundheitsreform vorlegte, war „Anmaßung“ noch die harmloseste Kritik. Die Gesundheitsreform beider Clintons scheiterte. Jahre später, nachdem sie als geachtete Senatorin zum ersten Mal selbst für das Amt der Präsidentin kandidierte, war es ein oft genannter Vorbehalt, dass damit Bill Clinton wieder ins Weiße Haus einziehen würde. Der Gedanke, dass die Erfahrung beider mehr wert wäre als eines Einzelnen, ist mit der Idee eines monadischen Oberhaupts unvereinbar.

Wie wir derzeit auch im spannenden Wahlkampf um die nächste Bundeskanzlerin Deutschlands beobachten können. Zwar sind bei den Parteien so genannte „Doppelspitzen“ populär geworden, bei den Grünen das durchaus erfolgreiche Duo Robert Habeck und Annalena Baerbock, die einander ergänzt und ihre diverse Partei geführt haben. Jetzt, da es zur Kandidatur um das Kanzlerinnenamt kommt, „kann es am Ende nur Eine machen“: Die Verfassung Deutschlands, wie alle Verfassungen dieser Welt, kennt keine Doppelspitze. Einer oder Eine muss offenbar immer voran gehen, der Nächste zwei Schritte dahinter.

So wenig wie die Verfassung von Unternehmen Doppelspitzen kennen. An der Spitze steht der CEO, selten eine CEO, darunter eine Vielzahl kleiner Chefs und Chefinnen, so gut wie alle Monaden. Zwei Personen, deren Ganzes mehr als die Summe zweier Teile ist und die sich eine Führungsrolle teilen: Die mit ihren Qualifikationen über einen breiteren Hintergrund für ihre Aufgaben verfügen; die in diversen Teams unterschiedlich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen können; die schwierige Entscheidungen nicht einsam und alleine treffen müssen; denen mehr Zeit für ihr Leben außerhalb des Jobs bleibt. Diese Möglichkeit zur Besetzung von Spitzenjobs durch Job Sharing ist in der Unternehmenswelt so gut wie nicht vorgesehen.

Steve Jobs und Steve Wozniak: Die Zwei aus der Garage. Unternehmen sind häufig Gründungen eines kongenialen Paares
Steve Jobs und Steve Wozniak: Die Zwei aus der Garage. Unternehmen sind häufig Gründungen eines kongenialen Paares / Foto: Apple

Dabei sind viele erfolgreiche Unternehmen Gründungen kongenialer Paare: Steve Jobs und Steve Wozniak gründeten Apple, Bill Gates und Paul Allen schufen Microsoft. Bill Hewlett und Dave Packard formten HP, Sergey Brin und Larry Page Google, wie zuvor Jerry Yang und David Filo Yahoo aus der Taufe hoben. Deutschlands aktuell gefeiertes Paar: die BioNTech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin, zunächst Kollege und Kollegin am Universitätsklinikum Homburg, dann gemeinsam in der Forschung, ehe sie den erfolgreichen Impfstoff-Hersteller in die Welt setzten. Davor wurde aus ihnen auch ein Ehepaar – CEO konnte jedoch nur einer werden.

Doch zahlreichen Beispielen gelungener beruflicher Partnerschaften zum Trotz ist Jobsharing in Führungspositionen, gar in der C-Suite, eine seltene Ausnahme. Extern wie intern werden solche Tandems mit Skepsis gesehen. Als vor einigen Jahren die schottischen Finanzunternehmen Standard Life und Aberdeen Asset Management fusionierten und die beiden CEOs mitteilten, dass sie die CEO-Rolle künftig gemeinsam wahrnehmen würden, wurden sie an der Börse mit starken Verlusten abgestraft. Das Argument, dass wachsende Komplexität von Märkten und Unternehmen besser gemeinsam als einsam zu managen sei, konnte Anleger nicht beruhigen.

„Oh, it’s lonely at the top“, sang Randy Newman, und noch immer prägt das heroische Bild der einsamen Führungskraft, 24/7 im Einsatz für die Firma, das Bild vom Spitzenmanager, am besten ungebunden durch eine Familie, die Zeit und Kraft für ein Privatleben abzweigen könnte. Dabei hat gerade die jüngere Generation der „High Potentials“ oft das Interesse an dieser Art von Aufopferung verloren. Karriere? Gern — wenn dabei nicht alles andere vor die Hunde gehen muss. Und gerade in gut bezahlten Managementpositionen ist es leichter, mit weniger als einem ganzen Gehalt gut zu leben.

Und so beginnt, Babyschritt um Babyschritt, das bisher dem Fußvolk vorbehaltene Jobsharing sich langsam in der Gehaltsstufe nach oben zu arbeiten. Meist sind es immer noch Frauen, denen mehr Zeit mit der Familie wert ist auf einen Teil des Einkommens zu verzichten, aber auch Männer, die sich von überkommenen Rollenbildern abwenden. So schreibt das Softwareunternehmen SAP seit Anfand 2018 grundsätzliche alle Management-Positionen als „Jobsharing geeignet“ aus. Dem gingen viele positive Erfahrungen mit einer begrenzten Zahl an geteilten Führungspositionen voraus.

Dabei müssen sich Kandidatinnen und Kandidaten nicht vorher als Sharing-Paar finden, beschreibt HR-Chefin Cawa Younosi: „Es funktioniert im Prinzip wie eine Dating-Plattform. Wir sammeln in einer anonymisierten Datenbank die Präferenzen von Kandidaten, wie viele Stunden sie arbeiten wollen, was ihre Qualifikationen und Erfahrungen sind. Wenn sich ein Match ergibt, können sich die beiden um die Stelle bewerben.“ Was SAP anfangs als Option vor allem für Kinderjahre sah, hat viele Vorteile für die IT-Firma: Stellen auf verschiedene Zeitzonen aufteilen, Erfahrung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitergeben, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen.

Ein Minderheitenprogramm bleibt es allemal: Bei über 20.000 SAP-Mitarbeiter*innen nutzen in Deutschland knapp 100 die Möglichkeit. Wahrscheinlich braucht es erst gekrönte Häupter, die mit ihrem Vorbild Akzeptanz schaffen – wie die nächste Generation an CEOs.

Dieser Beitrag erschien in Der Standard Karriere.

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