Gemma Gen-Shoppen

Durchschnittlich 5000 US-Dollar werden in den USA für menschliche Ei-Spenden bezahlt. Für Schönheit, Intelligenz und die richtige Rasse gibt es Höchstpreise: Sonderangebote auf dem Markt menschlicher Sehnsüchte sind keine Schnäppchenjagd.

Ein ganzseitiges Inserat im Studentenmagazin der Elite-Universität Stanford bot vor kurzem 100.000 Dollar (75.000 Euro) für die Ei-Spende einer „kaukasischen Spenderin mit nachweislich athletischer Qualifikation auf College-Niveau“ aus, zahlbar an die Spenderin selbst oder „eine karitative Organisation ihrer Wahl“. Damit verdoppelte das Inserat im Auftrag einer „christlichen Koalition“ namens „Familien 2000“ das ein Jahr davor in den Zeitungen diverser US-Eliteunis gemachte Angebot in Höhe von 50.000 Dollar. Gesucht: Das genetische Material einer Frau zwischen 21 und 30, sportlich, mindestens 1400 Punkte auf der akademischen US- Test-Skala „SAT“ und wenigstens 1,75 Meter groß – fast schon müßig „kaukasisch“ dazu zu schreiben.

Seit 1984 in Australien die erste Frau ein Kind zur Welt brachte, das nicht von ihr, sondern dem Ei einer Spenderin stammte und im Labor befruchtet wurde, hat sich der Bereich von Ei-Spenden in vielen industrialisierten Ländern rege entwickelt, allen voran in den USA. In Europa ist die Lage unterschiedlich: Einige Länder, wie Italien, Belgien oder Großbritannien, erlauben sowohl Ei-Spende als auch Leihmutterschaft, wenn auch unter Auflagen. In Großbritannien etwa dürfen nur Frauen spenden, die selbst eine In-vitro-Fertilisation für sich vornehmen lassen, unverwendete Eier spenden.

In Österreich und Deutschland ist die Ei-Spende (anders als die Spende von Samen oder Organen wie Nieren) über den Umweg des Verbots der Leihmutterschaft ungesetzlich: Denn als Leihmutterschaft gilt auch die Schwangerschaft mit einem fremden Kind, für das die betreffende Frau in sozialer und gesetzlicher Hinsicht die Mutterschaft übernehmen will.

Nirgendwo hat sich hingegen der „Markt“ für Ei-Spenden so frei entwickelt wie in den USA, wo es einem Bericht des Magazins „New Yorker“ zufolge jährlich an die 5000 Ei-Spenden geben soll. Rund 200 private Agenturen und Kliniken betätigen sich als Vermittler in einem „konkurrenz-intensiven Markt“, wie Rebecca Mead schreibt.

„Zahlen Sie Ihre Studiengebühr mit Eiern“

Was anfangs ein eher zufälliger Prozess des Zusammenführens war, bei dem gerade noch die Hautfarbe berücksichtigt wurde, hat sich inzwischen zu einer hochdifferenzierten Service-Industrie ausgewachsen. Eine Ex-Schauspielerin in Los Angeles vermittelt Models und Starlets, eine andere Agentur nur verheiratete Spenderinnen Ende 20 bis Anfang 30, die selbst Kinder haben. Geworben wird mit Idealismus wie „Geben Sie das Geschenk des Lebens“ oder Pragmatismus wie „Zahlen Sie Ihre Studiengebühr mit Eiern“. Und fast immer wird bezahlt, meist zwischen 2000 und 5000 Dollar, zuzüglich Spesen, in Ausnahmefällen mehr.

Die Agenturen selbst haben längst ein aufwendiges Assessment und Erstellung von Spenderinnen-Profile entwickelt. Schön und gesund bis in die Ahnengalerie wird dabei ebenso abgefragt wie familiärer Hintergrund, geografische Herkunft in mehreren Generationen, Religion, Bildungsweg, Schulnoten, Intelligenzquotient, Lebensgewohnheiten oder Motive für die Ei-Spende. Auch in die Zukunft wird geblickt: „Wie würden Sie reagieren, wenn Sie Ihr Kind treffen möchte?“ fragt beispielsweise die Agentur Options, eine der größten Vermittlerinnen mit einem Katalog von 250 Spendern, der weltweit via Internet angeboten wird.

So weit ist die Menschheit also gekommen: Die Aufzucht von Menschen losgelöst von „Natur“ und „Schicksal“ nach eugenischen Gesichtspunkten, ein Szenario, das Aldous Huxley in „Schöne neue Welt“ schon in den 30er Jahren prophezeite. „Alle großen weltgeschichtlichen Vorgänge ereignen sich zweimal: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Wenn Hegel mit dieser These recht hat, dann ist das „Lebensborn“-Programm der Nazis in seiner kapitalistischen Variante als Spiel des freien Markts wiedergekehrt.

Während die Kriterien für Spenderinnen relativ eng sind, werden sie bei den Empfängern weit gezogen, erklärt Options-Eigentümerin Teri Royal: „Es ist nicht meine Aufgabe, Hilfesuchende abzuweisen, solange alle Beteiligten informiert sind und zustimmen. Ich lehne daher keine homosexuellen, bisexuellen oder gemischtrassige Eltern, alleinerziehende Mütter oder ältere Paare ab.“ Ihre älteste prospektive Mutter sei bisher 68 Jahre gewesen.

Die Kosten für die Ei-Spende selbst sind nur ein Teil der Rechnung und meist sogar der kleinere. Dazu kommen Agenturgebühren, Rechtsanwälte, Ärzte und Kliniken. In New York werden für einen „Zyklus“ (so wird ein Durchgang von der Werbung bis zur Einsetzung eines gespendeten, befruchteten Eis genannt) rund 20.000 Dollar (480.000 S) veranschlagt; statistisch gesehen sind zwei Zyklen bis zu einer gelungenen Schwangerschaft nötig, manchmal bis zu vier.

Kinderwünsche erfüllen sich in Pressburg

Der Kinderwunsch ist also teuer: Meist wurden in das Wunschkind schon bis zur Geburt eine Million Schilling, wenn nicht mehr, investiert. Aber in einer Gesellschaft, die jüngsten ökonomischen Daten zufolge derzeit 60 Dollar-Millionäre am Tag produziert, ist noch viel Platz für die Produktion von Kindern auf dem Weg der Ei-Spende.

Angesichts vollendeter Tatsachen dreht sich die Diskussion in Amerika nicht so sehr um die Frage, ob Ei-Spenden erlaubt sein sollen, sondern um die Sorge, dass die Preise zu hoch werden.

Aber das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ liegt für kinderwünschende Österreicher nicht unbedingt eine Flugreise entfernt, sondern ist in einer Autostunde von Wien aus zu erreichen. So wie Frauen bis zur Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs 1975 nach London zur Abtreibung pilgerten, finden sie heute die Erfüllung des gegenteiligen Wunsches so nahe wie Pressburg: Dorthin vermitteln heimische Ärzte Frauen, denen sie in ihren eigenen Praxen und Spitälern den Wunsch nach einem Kind nicht erfüllen können.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 18. März 2000 in den Salzburger Nachrichten.

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