Generative KI-Systeme wie ChatGPT haben ernormen Bedarf an Energie und Wasser sowie einen unstillbaren Datenhunger. / Illu: DALL-E, prompted by spu

Fokus AI: Reden wir über Energie, Wasser und Datenhunger von Künstlicher Intelligenz

Näher als der melodramatisch postulierte Warnung vor dem Weltuntergang durch KI-Systeme sind andere Probleme: Der enorme Hunger nach Energie und Daten und der unersättliche Durst nach Wasser.

Okay, ChatGPT: wir müssen reden. Nein, nicht über deine Neigung zu halluzinieren, wenn du keine Antwort auch auf einfache Fragen hast, oder über deine rotzigen Antworten, wenn dich User dazu provozieren. Das können wir einstweilen noch deiner Pubertät zuschreiben, um die sich deine Erziehungsberechtigten hoffentlich kümmern.

Nein, wir müssen über drei ernsthafte Hürden reden, wenn KI zu einer verantwortungsvollen, reifen Technologie heranwachsen soll, der wir bei lebenswichtigen Fragen vertrauen können. Es geht um den enormen Energiebedarf, der bald den bisherigen Energiebedarf von IT in den Schatten stellen wird. Es geht um die riesigen Wassermengen, die zur Kühlung deiner Rechenzentren nötig ist. Und es geht um die riesigen Datenmengen, die zum Training von Künstlicher Intelligenz nötig ist und die schon in wenigen Jahren erschöpft sein könnten.

Ein Energiefresser wie Crypto

Bleiben wir bei zunächst bei den gravierenden Umweltthemen, die mit dem Einsatz von KI verbunden sind. Alle Technologien müssen künftig Teil der Lösung und nicht des Problems des Klimawandels sein. Das erwarten wir insbesondere von KI-Anwendungen, die uns bei der Erstellung präziserer Klimamodellen ebenso helfen können wie bei der Optimierung von erneuerbarer Energieerzeugung, dem Aufbau von Smart Grids oder der Reduzierung von Emissionen der Landwirtschaft oder Industrie. 

Die Verrücktheit des Crypto-Hypes warf ein grelles Licht auf die gravierenden Nebenwirkungen neuer Technologie. Eine einzige Bitcoin-Transaktion verbraucht so viel Strom wie ein durchschnittlicher US-Haushalt in 50 Tagen. Die Herstellung von Bitcoin & Co. frisst nach einer Studie der US-Regierung bereits 0,9 Prozent des weltweiten Stroms, so viel wie alle Datenzentren zusammen. 

Berechnungen für KI-Systeme sind aufgrund der Geheimhaltung der beteiligten Unternehmen derzeit noch schwierig, sagt der Forscher Sasha Luccioni von Hugging Face, eine Open-Source-Plattform für „anständiges Machine Learning“, die als Gewissen der KI-Industrie gilt. KI verwendet dieselbe Hardware wie Crypto, nur noch intensiver. Die mit dem Training von GPT-3 verbundene CO₂-Emissionen werden auf 550 Millionen Tonnen geschätzt, was 550 Flügen zwischen New York und San Francisco entspricht. Diese Belastung steigt exponentiell: Für das Training von GPT-4 soll es 570-mal so viele Parameter gegeben haben.

Ein dramatisches Bild dieser Entwicklung zeichnet Tech-Marktforscher Gartner. Bereits 2025 soll der Energiebedarf aller KI-Systeme den Energiebedarf aller menschlichen Arbeitskräfte übersteigen. Bis 2030 könnten KI-Training und Datenspeicherung weltweit für 3,5 Prozent des Stromverbrauchs verantwortlich sein – dreieinhalbmal so viel wie derzeit alle Rechenzentren der Erde.

Der unermessliche Durst von ChatGPT

Hand in Hand mit dem Energieverbrauch steigt der Bedarf an Wasser zur Kühlung der für KI benötigten immensen Rechenzentren. Nur zum Training von GPT-3 soll bereits die unglaubliche Menge von 3,5 Millionen Liter Wasser nötig gewesen sein, um die Server zu kühlen. Weniger effiziente chinesische Rechenzentren würden dafür 5 Millionen Liter brauchen. 

Um nur 20 Fragen zu beantworten, wurde der Durst von ChatGPT auf einen halben Liter Wasser beziffert – inzwischen werden Fragen vom komplexeren und energieintensiveren GPT-4 beantwortet. Die Auswirkungen dieses Dursts sind kaum vorstellbar. Pro Minute werden Google 6,3 Millionen Fragen gestellt und künftig soll ein wesentlicher Teil dieser Fragen durch KI beantwortet werden.

Mehr Daten, als die Welt hat

Energiehunger und Durst nach Wasser sind die technische Seite, der unerschöpfliche Appetit auf Daten ist die inhaltliche Grenze des Wachstums von KI-Systemen. KI-Entwickler gingen dabei bisher ebenso unverschämt wie frühere „Disruptoren“ vor: Erst nehmen, dann fragen. Trainingsmaterial wurde aus dem Internet abgesaugt ohne Rücksicht darauf, ob es durch Urheberrecht geschützt ist oder die Urheber überhaupt bereit waren, zu Rohstoff für KI degradiert zu werden. Eine Reihe von Urheberrechtsprozessen wird die (Un-) Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens klären und möglicherweise für die KI-Betreiber noch kostspielig werden.

Diese scheinbar kostenlose Rohstoffquelle ist inzwischen weitgehend versiegt. Wertvoller Stoff liegt inzwischen gut geschützt vor KI-Crawler hinter den Firewalls ihrer Besitzer. Und diese lassen sich gutes Geld für die Nutzung zahlen, was Lizenzabkommen von OpenAI mit der Nachrichtenagentur Associated Press oder der Bilddatenbank Shutterstock zeigt. Google soll in Verhandlungen mit Universal Music sein, um die Stimmen berühmter Künstler für sein singendes AI-Tool nutzen zu können. Große Datenschätze, mit denen sich KI spezialisiertes Wissen aneignen kann, liegen auf den Servern vieler Unternehmen, von Gesundheitsdaten von Spitalserhaltern und wissenschaftlichen Verlagen bis zu banalen Transkriptionen von Call-Center-Anrufen.

Daten sind jedenfalls ein begrenzter Rohstoff: Schon 2026 könnte er vollständig von der KI-Industrie ausgebeutet worden sein, sagen manche Experten. Möglicherweise liegt darin der eigentliche Grund, warum Elon Musk, der sich vom lautstarken Warner vor einem AI-Armageddon zum KI-Gründer wandelte, Twitter kaufte. X ist eben die Unbekannte in einer Gleichung, deren ganzes Ausmaß wir noch gar nicht kennen. Nicht nur für Twitter, auch für die Zukunft von KI.

Illustration: DALL-E prompted by spu

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im AT&S Blog.

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