KI macht Indiana Jones und Sean Connery als besten Bond aller Zeiten in immer neuen Blockbustern unsterblich / Illu: DALL-E, prompted by spu

Fokus AI: Indiana Jones in alle Ewigkeit

Die Auferstehung der Beatles für neue Songs und Sean Connery als bester James Bond aller Zeiten in neuen Filmen? (Bald) kein Problem mehr für die schöne, neue KI-Welt.

Unsere jüngste Episode aus der Serie „Schöne Neue KI-Welt“ führt diesmal ein wenig ins Jenseitige. Hinreichend bekannt wurde vor kurzem, dass die Beatles „ihren letzten Song“ produzierten und veröffentlichten. Natürlich sind von den „Fab 4“ nur noch Paul und Ringo am Leben, obwohl ironischerweise in den Song „Revolution 9“ angeblich der Satz „Paul is dead“ geschmuggelt wurde, verkehrt herum eingespielt und darum nur mithilfe technischer Tricks verständlich.

Ob dies tatsächlich der Inhalt des besagten Soundclips war, oder ein akustisches Missverständnis, kann vielleicht KI aufklären helfen. Jedenfalls gelang Paul McCartney & Ringo Starr mittels KI ein anderer eindrucksvoller Trick: Die Stimme von John Lennon aus einer lausigen Aufnahme eines Kassettenrecorders von der Klavierbegleitung herauszufiltern. Der Gesang wurde dann mit Bass- und Drum-Originaleinspielungen von Paul und Ringo und einer Gitarren-Aufnahme des bereits verstorbenen George Harrison aus dem Jahr 1995 gemixt und fertig war „Now and Then“. 

Paul beeilte sich zu erklären, dass alles echt sei und die KI nicht Johns Stimme generiert habe, sondern lediglich als eine Art Tonfilter eingesetzt wurde. Jedoch ist KI längst dabei, die Grenze zwischen Wiederherstellung und Neuschöpfung von für verstummte Stimmen zu überschreiten. So wird die KI-generierte Stimme Édith Piafs Zuschauer durch eine animierte Filmbiografie der französischen Chanson-Sängerin führen, die von Warner Music produziert wird. Der Unterhaltungsriese Disney wiederum hat kürzlich die Stimme des 92-jährigen Schauspielers James Earl Jones lizenziert, damit Darth Vader noch auf Jahrzehnte hinaus den Schrecken des Imperiums verbreiten kann.

Lippensynchrone Übersetzungen und unsterbliche Lieblingsschauspieler

Die Entwicklung von bild- und tongebenden KI-Systemen hat im vergangenen Jahr riesige Sprünge gemacht und wird weiterhin rasant in ihren Möglichkeiten zulegen. Dazu gehört beispielsweise eine – von Anbieter HeyGen vorerst „Beta“ genannt – das Video eines Sprechers in einer anderen Sprache zu synchronisieren, sowohl lippengenau als auch in der Stimmlage des Originals. Noch einfacher ist es, einen Avatar einen gewünschten Text sprechen zu lassen, samt dazugehörigen Gesichtsausdruck und Körpersprache. Um dem Avatar Ihr Aussehen zu geben, müssen Sie sich nicht einmal von Ihrem Schreibtisch wegbewegen – Foto oder Aufnahme von der Handykamera genügt. 

Schon jetzt kann darum eine digitale Maske Schauspieler in Filmen künstlich altern lassen oder wieder verjüngen. Das ist praktisch, denn seit Jahrzehnten lebt die Filmindustrie am besten von Fortsetzungen ihrer bewährten Hits wie „Indiana Jones“. Angeblich ist die eben erschienene fünfte Folge von „Indy“ die letzte des inzwischen 81-jährigen Harrison Ford, der digital um 40 Jahre verjüngt wurde. Machine Learning, in Verbindung mit speziellen Aufnahmetechniken, machen diese „FaceScwap“ genannte Technik möglich. Vorerst weniger perfekt finden sich solche Anwendungen im Bereich von „Deep Fake“, der Manipulation von Videos für Szenen und Aussagen, die nie getätigt wurden. Die Welt der Faker ist offenbar einfallslos: Weit über 90 Prozent der DeepFakes sollen Studien zufolge Pornos mit berühmten Schauspielerinnen sein.

KI-Anwendungen werden noch weit über die jetzigen Möglichkeiten hinaus gehen: weitere Folgen von Indiana Jones mit Harrison Ford? Ein neuer James Bond mit Allzeit-Lieblings-Bond Sean Connery, leider vor einigen Jahren verstorben? Die Rolling Stones noch in 20 Jahren auf ihrer niemals endender Tour? Kein Problem: In wenigen Jahren werden KI-Systeme solche Produktionen ermöglichen und auch die kritischsten Fans überzeugen. Als Vorgeschmack kann das ABBA-Musical mit Avataren der Bandmitglieder dienen. Bis dahin wird aus generativer KI auch eine hinreichend kreative KI geworden sein, um die passenden Scripts dazu zu liefern. Diese Perspektive ist es, die Drehbuchautorinnen und Autoren, Schauspielerinnen und Schauspieler zum längsten Streik Hollywoods bewogen hat.

Und auch im privaten und geschäftlichen Bereich werden diese Anwendungen Einzug in unseren Alltag finden: Für belebte Familienvideos unserer Vorfahren ebenso wie für geschliffene Online-Präsentationen von Firmen und Produkten. Auf Social Media hat das Zeitalter von Fake und Zweifel schon vor KI längst begonnen. Vielleicht können KI-Systeme darum nicht nur zur weiteren Verschlechterung dieser Kommunikation beitragen, sondern auch zu ihrer Verbesserung: Indem wir KI als Fake-Jäger einsetzen.

Illustration: DALL-E, prompted by spu

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im AT&S Blog.

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