Unterrichtsminister Heinz Faßmann

Fassmanns Sozial-Mathematische Reifeprüfung: Ungenügend

Die Mathematikmatura steht an und was die soziale Rechenleistung des Bildungsministeriums betrifft kann bereits jetzt eine Prognose gewagt werden: Sie ist ungenügend und der Minister wird einer Nachprüfung nicht entkommen. 12.000 PCs für wirtschaftlich schwache Familien hat Unterrichtsminister Faßmann am Gründonnerstag (bekanntlich ein zentraler Tag der Fastenzeit) angekündigt, damit das erzwungene Distance Learning besser funktionieren kann. 12.000 — bei einer SchülerInnnenzahl von rund 1,14 Millionen in ganz Österreich. Etwas mehr als ein Prozent

Dabei hat der Unterrichtsminister Einschränkungen gemacht, für welche Schulstufen dies vorgesehen sei, nämlich die AHS sowie die berufsbildenden mittleren (BMS) und höheren Schulen (BHS). Volksschule, Neue Mittelschule und  berufsbildenden Schulen — wo unsere Lehrlinge ausgebildet werden — scheinen am Radar des Unterrichtsministers nicht auf. 

Hier kommt die Reifeprüfungsfrage: Mehrere Schlussfolgerungen sind aus dieser Gleichung — 12.000 PCs ausschließlich für wirtschaftlich schwache Familien der AHS, BMS und BHS, möglich — wählen sie die richtige Antwort.

1. Alle anderen SchülerInnen in Volksschule, Neuer Mittelschule, polytechnischem Lehrgang und Berufsschulen benötigen das „moderne“ Hilfsmittel PC im großflächigen Home-Schooling-Experiment nicht und kommunizieren mit ihren LehrerInnen mittels Post oder Brieftaube. 

2. Soziale Bedürftigkeit kommt nur in den Familien von SchülerInnen der Bundesschulen vor. Der Besuch von Neuen Mittelschulen und Berufsschulen sind hingegen Indikatoren für SchülerInnen aus materiell gut abgesicherten Familien. 

3. Das Ministerium fühlt sich nur bei Bundesschulen in der Pflicht. Dem widerspricht jedoch die Zuständigkeit des Bundes für Unterrichtsmittel (die so genannte Schulbuchaktion), bei der der Bund für alle 1,14 Millionen SchülerInnen die nötigen Unterrichtsmittel bereitstellt. Und im übrigen auch, dass die Schließung der Schulen durch das Unterrichtsministerium angeordnet wurde, nicht durch Gemeinden oder Länder.

4. Der Minister, das Ministerium, schaffen es selbst in der jetzigen Phase von #bleibdaheim, die Notwendigkeiten der Digitalisierung an den Schulen so wie in den vergangenen Jahrzehnten weiterhin erfolgreich zu leugnen.

Schulbesuche 2018/19
Verteilung der SchülerInnen auf Schularten im Schuljahr 2018/18 — Quelle: Statistik Austria

Selbst wenn wir auf die Rechnung Unterrichtsministers eingehen, zeugt sie von erstaunlicher Verkennung der sozialen Realität. Die genannten Schularten haben rund 424.000 SchülerInnen, 12.000 sind daher gerade 2,8 Prozent dieser Menge. Hingegen sind nach den Erhebungen der EU-Statistik (EU-SILC) derzeit 14,3 Prozent der österreichischen Bevölkerung armutsgefährdet, potenziell also die Adressaten der ministeriellen Fürsorge. Bleibt übrigens noch die Frage nach den Kosten eines geeigneten Internet-Anschlusses.

Gut, dass Unterrichtsminister Faßmann diese Ankündigung gemacht hat. Es zeigt, dass das Ministerium verstanden hat, was über Medien und Social Media seit einiger Zeit zu erfahren war: Es läuft großteils überraschend gut, aber es gibt Familien, die sich die nötige Ausstattung nicht leisten können. 

Aber der Minister und sein Ministerium haben dringenden Nachhilfebedarf was ihr Verständnis der Problematik betrifft: Einerseits, dass der Coronatest die Notwendigkeit  umfassender Digitalisierung auch im Schulbereich endgültig belegt hat. Übrigens ein Test, den die großteils unvorbereitete Lehrerschaft ebenso wie SchülerInnen und Familien gut improvisierend besteht. Und andererseits, dass soziale Unterstützung nach allen vorliegenden Daten etwas weiter gefasst werden muss als bei weniger als fünf Prozent.

Die Sommerpause wäre eine gute Gelegenheit, für die digitale Nachprüfung im Herbst umfassend dazu zu lernen. Wie heißt es doch so schön seit der Finanzkrise? Niemals eine gute Krise verschwenden — jetzt ist die Gelegenheit, die Schulen für die Digitalisierung richtig „aufzustellen“. 

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